Der neue Trend in der Rechtshilfe – die Pro Bono-Rechtsberatung auf dem Vormarsch

In den USA schreibt die pro-bono-Rechtsberatung schon lange filmreife Geschichten: Da ist etwa der zu Tode verurteilte Texaner, der durch das unentgeltliche Engagement von Anwälten nach 17 Jahren Haft freigesprochen wird. Auch die medienwirksame Rechtsvertretung von Häftlingen des umstrittenen Gefängnisses in Guantánamo ist auf die pro-bono-Arbeit engagierter Anwälte zurück zu führen.

Was in den USA in den Sozietäten zum guten Ton gehört und gezielt auch für Marketingzwecke im Rahmen der Corporate Social Responsibility (CSR) eingesetzt wird, steckt in deutschen Kanzleien noch in den Kinderschuhen. Doch auch hierzulande gewinnen pro-bono-Aktivitäten an Bedeutung und werden zunehmend professioneller in das Leistungsportfolio der Kanzleien integriert. Nicht zuletzt, weil nicht nur die Mandanten selbst von der gemeinnützigen Rechtsberatung profitieren.

Was ist unter einer pro-bono-Rechtsberatung zu verstehen?

Der Begriff "pro bono publico" kommt aus dem Lateinischen und meint eine freiwillige und unentgeltliche Leistung "zum Wohle der Öffentlichkeit". Im heutigen Sprachgebrauch ist damit vor allem die gemeinnützige Beratung durch Fachkräfte bzw. Spezialisten gemeint. Diese findet nicht nur im juristischen oder medizinischen Bereich Anwendung, sondern auch im Marketing oder zu technischen Fragestellungen.

Traditionell sind Nichtregierungs- und Non-Profit-Organisationen, soziale Einrichtungen, gemeinnützige Vereine oder Verbände Nutznießer von pro-bono-Rechtsberatungen: In der Regel verfügen sie über wenig oder keine Mittel für eine Rechtsberatung und haben in Ihrer Rechtsform als juristische Person auch kaum Aussichten, einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe (PKH) geltend zu machen. Doch auch Privatpersonen ohne finanzielle Mittel und Anspruch auf Prozesskostenhilfe oder sonstige staatliche Leistungen der Rechtshilfe, werden verstärkt durch pro-bono-Aufträge vertreten. Hierzu gehören oftmals Staatenlose oder Flüchtlinge.

Für diese Mandanten beraten pro-bono-Anwälte in allen Rechtsgebieten wie Gesellschafts-, Arbeits-, Datenschutz-, Bau- oder Zivilrecht. Mitunter erstreiten sie sogar gerichtlich oder außergerichtlich Rechte und bringen, wie in den USA schon gängig, Rechtslücken medienwirksam in die Öffentlichkeit.

Die pro-bono-Rechtsberatung – ein Freiwilligkeitskonzept aus den USA

Dass die Rechtsberatung "zum Wohle der Öffentlichkeit" in Deutschland bisher einen anderen Stellenwert hatte als in den USA, ist vorrangig auf eine Ursache zurückzuführen: In den USA gibt es keine Prozesskostenhilfe.

Wer kein Geld hat, aber einen Anwalt braucht, ist daher auf das Engagement von pro-bono-Programmen angewiesen. Sie gehören in den USA in fast allen Kanzleien mittlerweile zum Geschäftskonzept: Vor allem der juristische Nachwuchs wird bereits zu Studienzeiten dazu angehalten, in sogenannten "law clinics" pro-bono-Rechtsberatungen anzubieten. Im Berufsleben wird in mittlerweile mehr als 150 Großkanzleien erwartet, dass ca. 3 Prozent aller abrechenbarer Arbeitsstunden für pro-bono-Tätigkeiten aufgewendet werden.

Doch das soziale Engagement geschieht in den USA nicht nur aus einer sozialen Verpflichtung heraus: Da die Werberegeln für US-amerikanische Juristen deutlich weniger eingeschränkt sind als für deutsche Anwälte, wird das pro-bono-Engagement der Kanzleien oftmals sehr öffentlichkeitswirksam für Werbezwecke eingesetzt. Soziales Engagement als Imagepflege.

Ehrenamtlicher Rechtsbeistand ist seit jeher Teil juristischer Arbeit in Deutschland

Dennoch ist das Konzept der pro-bono-Rechtsberatung deutschen Juristen nicht fremd: Ehrenamtlicher Rechtsbeistand für Freunde, gemeinnützige Vereine oder soziale Organisationen aus der Nachbarschaft oder Region wird von vielen Anwälten bereits aktiv geleistet: Laut einer Auskunft des Soldan Instituts bieten bereits 66% der deutschen Anwälte bis zu neun pro-bono-Vertretungen pro Jahr. Bisher firmierten diese Leistungen aber weder unter dem Begriff "pro bono" noch wurden sie aktiv zur Imagepflege der Kanzleien genutzt oder als Bestandteil des Leistungspektrums offen angeboten.

§49b der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) verpflichtet Rechtsanwälte dazu, sich an das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) zu halten. Sie dürfen Mandanten demnach nicht von vornherein eine kostenlose Rechtshilfe anbieten. Gebühren und Auslagen können immer erst nach Erledigung des Auftrags erlassen oder gemindert werden – und das auch nur im "Einzelfall" und unter "besonderen Umständen" wie der Bedürftigkeit des Mandanten. Auch die Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG) haben bisher verhindert, dass pro-bono-Rechtsberatung nach US-Vorbild betrieben wurde.

Das ändert sich nun. Verantwortlich dafür ist die Novellierung der Prozesskosten- und Beratungshilfe Auch der zunehmende Einfluss aus den USA spielt hier sicher eine Rolle. Nicht bei allen deutschen Juristen stößt das auf Gegenliebe.

pro-bono-Rechtsberatung als Konkurrenz für entgeltpflichtige Mandate?

Vor allem für die ältere Anwaltsgeneration gehörte es bisher zum guten Ton, für Stiftungen, gemeinnützige Vereine oder Verbände tätig zu sein. Niemand vermutete bislang, dass durch dieses soziale Engagement Konflikte zu entgeltlichen Mandaten entstehen. Die offensive Imagepflege mithilfe von pro-bono-Mandaten lässt Kritiker aber nun genau das befürchten.

Zusätzlich argumentieren sie, dass durch die Prozesskostenhilfe von Staats wegen der Bedarf für pro-bono-Beratung ohnehin nicht vorhanden wäre. Eine Untersuchung der Universität Hamburg sieht diese Kritikpunkte nicht bestätigt: Zum einen sei das Angebot staatlicher Prozesskostenhilfe mitnichten ausreichend, zum anderen würden viele Vereine und gemeinnützige Organisationen nicht die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme dieser Hilfen erfüllen.

So sind es vor allem kleine Kanzleien oder Einzelanwälte, die wichtige gesellschaftliche Belange über die Prozesskostenhilfe vertreten: Weil diese nicht üppig ausfällt, können die Juristen selten kostendeckend arbeiten. Hier sehen vor allem Großkanzleien Potential, um mit pro-bono-Projekten gesellschaftlich wichtige Belange engagiert zu vertreten. Laut einer Mitteilung des Anwaltsblatts gehe es ihnen nicht darum, mit pro-bono-Vertretungen in den Wettbewerb einzugreifen, sondern Ressourcen für bürgerliches Engagement zu nutzen.

Weil große Sozietäten unter anderem für wirtschaftsrechtliche Mandate überdurchschnittlich gut bezahlt werden, stehen Ihnen auch die Mittel zur Verfügung, gesellschaftlich relevante Mandate mit vollem Engagement zu betreuen und sogar Präzedenzfälle zu erreichen. Bei pro-bono-Fällen gehe es nicht allein darum, dem Einzelnen im konkreten Fall zu helfen. Das pro-bono-Engagement ziele vielmehr darauf, für Rechte zu kämpfen, die der Gesellschaft zugute kämen. Es ginge daher beispielsweise nicht darum, Streitigkeiten mit einem Vermieter zu klären, sondern eher um die Wahrung von Menschenrechten oder den Umweltschutz.

Die Professionalisierung der pro-bono-Rechtsberatung schafft Vorteile für Kanzleien

Das gesellschaftliche und kulturelle Engagement durch pro-bono-Mandate sendet nicht nur positive Signale an junge Arbeitnehmer aus. Die Ressourcen und das rechtskundliche Know-how für bürgerliche Belange einzusetzen, stärkt außerdem das Selbstverständnis der Anwälte: Sie tragen nicht zuletzt auch Verantwortung für die Gesellschaft.

Durch den Wandel des pro-bono-Engagements von einem reinen "Privatvergnügen" hin zum festen Bestandteil des Leistungsangebots von Kanzleien, wird die unentgeltliche Rechtsberatung zunehmend professioneller und gesellschaftlich noch relevanter. So treiben Vereine wie Pro Bono Deutschland e.V. diese Professionalisierung und damit nicht zuletzt die Akzeptanz und Verbreitung der pro-bono-Rechtsberatung innerhalb der Anwaltschaft voran.

Von US-amerikanischen Kanzleien initiierte Wettbewerbe wie die "Law Firm Pro Bono Challenge" sorgen mit dem geforderten Drei-Prozent-Engagement für einen weiteren Nebeneffekt: Durch den Wettbewerb der Kanzleien in den USA um möglichst prestige-trächtige pro-bono-Projekte suchen Anwälte gezielt nach "Marktlücken". So werden Rechtsfälle, für die es Regelungslücken, also keinen "Markt" gibt, hochkarätig betreut.