Wer sich derzeit die Frage "mieten oder kaufen" stellt, findet für jede Position Studien mit jeweils guten Argumenten. Die Mietbefürworter führen vor allem ins Feld, dass ein Immobilienkauf durch den Immobilienboom und die hohen Kaufpreise viel zu teuer geworden sei. Mietern bleibe durchschnittlich einfach mehr in der Haushaltskasse.
Die Gegenseite macht sich fürs Kaufen stark, indem sie auf die niedrigen Zinsen verweist und vorrechnet, dass die Kosten für selbstgenutzten Wohnraum rund ein Drittel günstiger seien als für Mieter. Andere spekulieren hingegen und wollen auf das Platzen der Immobilienblase und damit sinkende Kaufpreise warten. Was also tun? Wir bringen etwas Licht ins Dickicht eines derzeit unübersichtlichen Immobilienmarktes.
Ist der Immobilienmarkt überhitzt?
Die Immobilienpreise in Deutschlands Städten und Regionen kannten in den vergangenen Jahren nur eine Richtung – nach oben. Allein zwischen 2010 und 2017 stiegen die Preise für Wohnimmobilien im Schnitt um das Doppelte. Der von der Schweizer Großbank veröffentlichte Global Real Estate Bubble Index scannt alljährlich den globalen Immobilienmarkt auf Anzeichen einer Immobilienblase.
Eine Blase macht der jüngste Bericht (September 2018) zwar nicht aus, schlägt für zumindest zwei deutsche Städte jedoch Alarm: In München und Frankfurt könnte eine Immobilienblase vorliegen. Die bayrische Landeshauptstadt belegt im weltweiten Ranking sogar nach Hongkong den zweiten Platz und lässt damit auch Städte wie London, Paris oder New York hinter sich. Stiegen die Hauspreise in den Metropolen zwischen 2013 und 2018 um durchschnittlich 35 %, war dieser Wert in München doppelt so hoch.
Noch fassbarer wird der Boom mitsamt seinen Folgen, wenn man die Immobilienpreise in Relation zur Kaufkraft setzt. Musste ein Facharbeiter 2008 in München noch vier volle Jahresgehälter für eine 60 qm2-Wohnung aufbringen, waren es 2018 bereits acht Jahresgehälter. In vielen anderen deutschen Großstädten sieht es ähnlich aus. Für Alteingesessene sind mittlerweile oft nicht nur die Kaufpreise zu hoch, auch die Mieten haben kräftig angezogen und zwingen Gering- und Normalverdiener in die Randgebiete der Städte. Daher ist längst auch an den Stadträndern die Preisspirale in Gang gesetzt.
Gründe für den derzeitigen Immobilienboom
Die Preissteigerungen für Wohnimmobilien haben im Wesentlichen drei Ursachen:
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Ausgelöst durch die Finanz- und Währungskrisen 2008 und 2010 befinden sich die Zinsen seit nunmehr über acht Jahren auf einem historisch niedrigen Niveau. Die Bauzinsen sind seit 2010 daher deutlich stärker gefallen als die Preise für Wohnimmobilien. Mit anderen Worten, in Zeiten von Niedrigzinsen konnten Immobilien ihrem Ruf als sprichwörtliches "Betongold" mehr als gerecht werden. Tatsächlich lag die mittlere Gesamtrendite bei Immobilien in den großen Metropolen der Welt bei etwa 10 % pro Jahr, so der UBS-Index. Damit war die Investition in Immobilien lukrativer als in die Aktienmärkte.
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Zwischen 2011 und 2017 wuchs die Bevölkerungszahl in Deutschland um mehr als 2 Millionen Einwohner. Der größte Teil kam dabei aus Süd- und Osteuropa, eine weitere große Gruppe stellen die seit 2015 ins Land migrierten Flüchtlinge. Die
liegt zwar jährlich noch immer bei etwas über einer Million, insgesamt drängten in den vergangenen Jahren dennoch mehr Menschen auf den Wohnungsmarkt und erhöhten durch die gewachsene Nachfrage die Preise auf dem Immobilienmarkt.
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Der dritte wichtige Faktor für den Immobilienboom ist die seit Jahren anhaltend gute Konjunktur. Das dadurch ins Land geflossene Geld sucht sich attraktive Anlagen und findet sie vor allem im schon angesprochenen Betongold.
Handelt es sich noch um einen Boom oder schon um eine Immobilienblase?
Als Immobilienblase lassen sich Fehlbewertungen auf dem Immobilienmarkt bezeichnen, die zu überhöhten Preisen führen. Diese Fehlbewertungen liegen jedoch nicht immer klar zu Tage, sondern stellen sich meist erst nach dem Platzen der Blase als Fehler heraus. Aus der Wirtschaftsgeschichte sind allerdings typische Anzeichen für das Vorliegen einer Immobilienblase bekannt:
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Die Mieten entkoppeln sich immer weiter von den lokalen Einkommen – dieser Trend lässt sich derzeit für viele Städte und Regionen in Deutschland beobachten.
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Die Kredite für Immobilienkäufe werden sehr freizügig vergeben – das war beispielsweise in den USA bis 2008 der Fall und führte zur Lehmann-Pleite sowie der darauffolgenden Banken- und Finanzkrise. Für Deutschland lässt sich eine solch laxe Kreditvergabe derzeit nicht attestieren.
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Die Immobilien sind überbewertet – das könnte laut UBS-Index in Deutschland für die schon genannten Städte München und Frankfurt zutreffen. Gefährdet sind in dieser Hinsicht aber auch Berlin, Potsdam, Regensburg, Konstanz, Freiburg sowie einige weitere Städte.
Überbewertete Immobilien mit dem "Vervielfältiger" identifizieren
Der wichtigste Hinweis für überbewertete Immobilien ist das Verhältnis zwischen Kaufpreis und den zu erwartenden Mietzahlungen. Dieser Wert lässt sich mit Hilfe des sogenannten Multiplikators bzw. Vervielfältigers recht einfach ausrechnen. Dafür wird der Kaufpreis der Immobilie durch die Summe der zu erwartenden Jahresmiete geteilt. Im Beispiel:
Eine Wohnung soll 400.000 Euro kosten und im Jahr 14.400 Euro Miete einspielen. Nach der Formel 400.000 (Kaufpreis) : 14.400 (erwartbare Jahresmiete) ergibt der Multiplikator aufgerundet den Wert 35.
In diesem Beispiel würde es also 35 Jahre dauern, um den Kaufpreis durch die Mietzahlungen wieder hereinzuholen. Genau dieses Niveau (und teilweise auch darüber) ist in vielen Lagen von Berlin, Freiburg, Regensburg, Potsdam oder Konstanz erreicht.
Lange Jahre galt ein Vervielfältiger-Wert bis 20 (Jahre) als noch vernünftige Anlage. Mittlerweile tolerieren Immobilienexperten in Großstädten aber auch Werte bis 25, da sie von weiterhin hohen Mieteneinnahmen bei Neuvermietungen in diesen Lagen ausgehen.
Wer selbst an den Kauf einer Immobilie denkt, sollte bei der Rechnung mit dem Vervielfältiger beachten, dass zum Kaufbetrag auch noch Kaufnebenkosten, Steuern sowie laufende Kosten zum Erhalt der Immobilien hinzukommen. Der Vervielfältiger kann also nur einen ersten Anhaltspunkt geben, ob sich der Kauf der Immobilie überhaupt rechnet.
Indizien, die für eine Immobilienblase in Deutschland sprechen
Gerade in den Ballungsregionen ist das Kaufpreis-Miete-Verhältnis, also der Vervielfältiger-Wert, in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen:
Angesichts solcher Zahlen muss von einer Entkopplung der Preise und der zu erzielenden Mieteinnahmen gesprochen werden. Hinzukommt, dass auch das niedrige Zinsniveau nach wie vor zum Immobilienkauf geradezu einlädt. Das Ende der Nullzinspolitik durch die EZB könnte daher dann auch den Moment markieren, an dem die Immobilienblase platzt.
Werden die Immobilienkredite teurer, träfe das vor allem die privaten Immobilienkäufer. Denn in der Regel finanzieren sie den Immobilienkauf durch Kredite mit jeweils begrenzter Laufzeit. Mit steigendem Zinsniveau drohen dann teure Anschlussfinanzierungen. Viele Haus- und Wohnungseigentümer könnten dem dann nicht mehr gewachsen sein. Es käme zu Immobilienverkäufen und damit auch zu schnell und stark sinkenden Preisen.
Der entscheidende Faktor für das Ende des Immobilienbooms wäre demnach das Ende der Nullzinspolitik durch die EZB. Die Europäische Zentralbank hat jedoch schon erklärt, dass damit frühestens 2020 zu rechnen sei. Viele Finanzexperten erwarten zudem, dass die EZB sich dann auch nur allmählich aus den Niedrigzinsen verabschieden wird. Wer auf ein jähes Ende der Immobilienblase spekuliert, wartet darauf daher womöglich vergebens.
Indizien, die gegen eine Immobilienblase sprechen
Das Gutachten der Immobilienweisen kam bereits im Frühjahr 2018 zu dem Schluss, dass ein weiterer überproportionaler Anstieg der Kaufpreise bundesweit auszuschließen sei. Der Peak der Kaufpreise scheint mittlerweile erreicht. Die Immobilienweisen rechnen sogar damit, dass in besonders gefragten Städten wie Berlin, München und Stuttgart die Kaufpreise für Immobilien innerhalb von fünf Jahren um 25 bis 33 Prozent zurückgehen.
Da sich die Mieten weiterhin auf dem heute gewohnten Niveau bewegen, wird das Kaufpreis-Miete-Verhältnis (der Vervielfältiger-Wert) sinken. Zugleich lässt sich nicht feststellen, dass in Deutschland zu viel gebaut würde. Eher trifft das Gegenteil zu, gerade in den Ballungsgebieten herrscht weiterhin Wohnraummangel. Eine Immobilienblase ist aus dieser Perspektive daher nicht auszumachen.
Mieten oder kaufen? Was lohnt sich denn nun?
Das Institut der deutschen Wirtschaft kam in einer Studie zu dem Ergebnis, dass sich der Immobilienkauf vor allem für diejenigen lohnt, die selbst in der gekauften Immobilie wohnen. In Stuttgart haben Selbstnutzer einen Kostenvorteil gegenüber Mietern von 26,4 %, in Hamburg sind es gar 38,6 %. Untersucht wurde dieser Kostenvorteil für 401 Landkreise – in allen wohnten Wohneigentümer günstiger als zur Miete.
Eine andere Rechnung macht die Studie "Risiko-Rendite-Ranking 2018" des Immobiliendienstleisters Dr. Lübke & Kelber auf. In der Studie wurden die Preise von 111 Städten analysiert. Ergebnis: In lediglich 48 dieser Städte wohnt man im Eigentum günstiger als zur Miete. Das ist etwa in Fürth, Osnabrück, Heilbronn oder Lüneburg der Fall.
Die Frage "mieten oder kaufen" kann nur individuell beantwortet werden
Für alle, die derzeit darüber nachdenken, ob sie lieber mieten oder kaufen sollen, sind solch entgegengesetzte Ergebnisse auf den ersten Blick zwar ärgerlich. Zugleich darf man diesen Studien dankbar sein. Denn sie halten einmal mehr vor Augen, was Immobilienexperten seit jeher predigen: "Lage, Lage, Lage." Soll heißen, bei Immobilien kommt es stets auf den Einzelfall an. Das gilt auf für die Frage, ob sich der Kauf einer Wohnung lohnt oder ob es nicht doch besser ist, weiterhin zur Miete zu wohnen. Schließlich handelt es sich bei den Zahlen aller genannten Studien immer nur um Durchschnittswerte.
Wer sich über eine günstige Miete freut und die Aussicht hat, dass das auch in Zukunft so bleibt, für den wird sich der Wohnungskauf nicht rechnen. Das gilt auch für alle, die erst im späteren Lebensjahren darüber nachdenken, sich Immobilienbesitz zuzulegen.
Da der Immobilienkauf in der Regel immer mit Finanzierungskrediten einhergeht – die Faustformel lautet, dass mindestens 20 % bis 25 % der Kaufsumme aus Eigenmitteln stammen sollte, der Rest aus Krediten – lohnt sich der Immobilienkauf ab einem Alter von etwa 50 in aller Regel nicht mehr. Für alle Jüngeren dagegen gilt, dass sie bei solider Finanzierung und einem nicht zu teuren Kauf, langfristig besser dastehen als ein Leben lang zur Miete zu wohnen.
Mieten oder kaufen – das ist immer auch eine Frage der persönlichen Einstellung
Letztlich ist das aber natürlich auch eine Typfrage. Wer eher ungebunden sein mag und nicht den Risiken eines Immobilienbesitzes wie möglichen Sanierungen ausgesetzt sein will, fährt als Mieter sicher besser. Wer dagegen in eine Immobilie investiert, erhält auch einen realen Gegenwert für das Geld, das ohnehin fürs Wohnen hätte ausgegeben werden müssen. War der Kaufpreis nicht zu hoch und klappt alles mit der Finanzierung, sind Immobilienbesitzer im Rentenalter finanziell meist besser abgesichert.