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Cognitive Computing: Wie Computer mit menschlichem Denken in Zukunft Geschäftsprozesse erleichtern

Geschrieben von Benjamin Leupold | 12.01.2019 23:00:00

Künstliche Intelligenz ist seit der Konzeption des Computers ein weit verbreitetes Ziel unter ITlern. Mit Cognitive Computing – neuen kognitiven Rechenmodellen – kommen wir dieser Zukunftsvision vielleicht näher als je zuvor. Cognitive Computing vereint Kognitionswissenschaften, also die Erforschung des menschlichen Gehirns und seiner Funktionsweise, mit Informatik. Die Technologien, die dank dieser Forschung entstehen, bereichern bereits heute unseren Alltag und werden weitreichende Auswirkungen auf unser Privatleben und die Wirtschaft haben.

Ziel des Cognitive Computing ist es, menschliche Denkprozesse in einem computergestützten Modell zu simulieren. Mit Hilfe von selbstlernenden Algorithmen, die Data Mining, Mustererkennung und natürliche Sprachverarbeitung verwenden, kann der Computer die Funktionsweise des menschlichen Gehirns nachahmen. Zwar sind Computer bereits seit Jahrzehnten schneller bei der Verrechnung und Verarbeitung von Daten als unser Gehirn, doch sie waren bislang nicht in der Lage, Aufgaben zu erfüllen, die der Mensch für selbstverständlich hält – zum Beispiel das Verstehen von Sprachen oder das Erkennen von Objekten in einem Bild. Das wird sich durch das Cognitive Computing ändern.

Was sind die Vorteile von kognitiven Anwendungen gegenüber herkömmlichen Systemen?

Kognitive Systeme basieren auf Deep Learning-Algorithmen und neuronalen Netzwerken. Sie verarbeiten Informationen, indem sie diese mit einem Lehrdatensatz abgleichen. Je mehr Daten das System verarbeitet, desto lernfähiger ist es und desto genauer wird es im Laufe der Zeit. So wird es nach und nach dazu befähigt, eine Vielzahl von komplexen Zusammenhängen zu erkennen und Entscheidungen zu treffen. Kognitive Anwendungen sind gewöhnlichen Anwendungen einen Schritt voraus, wie die folgenden grundlegenden Merkmale zeigen:

  • Anpassungsfähig: Kognitive Anwendungen sind adaptiv und in der Lage, Informationen über ihr Umfeld zu integrieren, wenn es sich verändert. Die Systeme arbeiten mit dynamischen Daten in Echtzeit oder nahezu in Echtzeit, um Mehrdeutigkeiten und Unvorhersehbarkeiten zu vermeiden. Wenn sie etwa in einem Unternehmen eingesetzt werden, passen sie sich den sich ändernden Zielen und Anforderungen, wie sie in der heutigen Geschäftswelt üblich sind, zügig an.

  • Interaktiv: Kognitive Anwendungen können sowohl mit Benutzern als auch mit anderen Prozessoren, Geräten und Cloud-Services interagieren. Die Spracherkennung und die Imitation menschlicher Sprache sind zum Beispiel Fähigkeiten, die unkomplizierte Interaktion ermöglichen und komfortable Bedienung erlauben.

  • Iterativ: Kognitive Anwendungen sind iterativ und zustandsorientiert. Die Apps stellen Fragen oder finden selbst zusätzliche Quellen, wenn eine Problemstellung mehrdeutig oder unvollständig ist. Das System erinnert sich auch an frühere Interaktionen und holt aus einem solchen Erfahrungsschatz geeignete, für den aktuellen Kontext relevante Informationen ein.

  • Kontextuell: Kognitive Computeranwendungen verstehen und identifizieren kontextuelle Elemente wie Ort, Zeit, Bedeutung, Syntax, Prozesse, Vorschriften, Benutzerprofil und mehr, die mit ihrem Ökosystem verbunden sind. Die Apps agieren auf der Grundlage dieser Informationen automatisch.

  • Kompatibel mit "dunklen Daten": Kognitive Computersysteme haben die Fähigkeit, mit "dunklen Daten" umzugehen. Herkömmliche Business Intelligence- und Analyselösungen sind meist nicht in der Lage, Social Media-Beiträge, elektronische Krankenakten, elektronische Fitnessgeräte, unstrukturierte Bilder und den Großteil der allgemeinen Daten, die von Anwendern im Alltag generiert werden, zu verstehen. Cognitive Computing-Apps verarbeiten solche multistrukturierten und unstrukturierten dunklen Daten, um auch nicht offensichtliche Erkenntnisse zu gewinnen und einer Analyse zu unterziehen. Die Kombination solcher dunklen Daten mit den leicht zugänglichen strukturierten Informationen wie z.B. Kundenaufzeichnungen zeigt Muster, Beziehungen und andere kontextuelle Assoziationen, die sonst nicht erkennbar sind.

Wo wird Cognitive Computing bereits eingesetzt?

Derzeit wird die kognitive Computerlandschaft von großen Unternehmen wie IBM, Microsoft und Google dominiert. IBM, der Pionier dieser Technologie, hat Milliarden Dollar in große Datenmengen und Analysen investiert und gibt heute fast ein Drittel seines F&E-Budgets für die Entwicklung kognitiver Computertechnologien aus. Darüber hinaus investieren viele neue Unternehmen stark in diese Technologie, um bessere Produkte und Arbeitsprozesse zu entwickeln.

Inzwischen gibt es viele Beispiele für die technologischen Fortschritte, die wir durch Cognitive Computing machen. Einige Unternehmen setzen bereits entsprechende Tools ein:

Datenauswertung

Mit Cognitive Computing können große Datenmengen analysiert, in ein semantisches System eingeordnet und so weiterverarbeitet werden. Die Daten sind für den Computer nicht mehr länger nur eine Ansammlung von Zeichen und Zahlen, sondern er kann sie verstehen und in einen sinnvollen Zusammenhang bringen. Anhand der Datenauswertung kann das System schnell Lösungsvorschläge machen. So können Planungsprozesse massiv verkürzt werden.

Google ist es zum Beispiel mit der DeepMind-Technologie gelungen, die Energiekosten der eigenen Rechenzentren durch effektive und umfassende Datenanalysen um 40 Prozent zu senken. In Zusammenarbeit mit der britischen Gesundheitsbehörde NHS unterstützt DeepMind inzwischen das Gesundheitswesen. Die Behörde gewährt DeepMind Zugriff auf die Daten von Patienten verschiedener Londoner Krankenhäuser. Mit den Informationen der vergangenen Dekade errechnet das System, wie Kosten gesenkt, die Versorgungslage verbessert und Risiken vorhersehbar gemacht werden können. Auch bei der Behandlung unterstützt DeepMind, etwa bei der Krebsdiagnostik. Hierbei vergleicht das System gesundes und krankes Gewebe und nutzt pathologische und radiologische Ergebnisse aus der Intensivmedizin.

Chatbots

Chatbots sind Programme, die ein menschliches Gespräch simulieren können, indem sie die Kommunikation in einem kontextuellen Sinne verstehen. Um dies zu ermöglichen, wird eine maschinelle Lerntechnik namens Natural Language Processing eingesetzt. Die Verarbeitung natürlicher Sprache ermöglicht es Programmen, Eingaben von Menschen (Sprache oder Text) zu übernehmen, zu analysieren und dann logische Antworten zu liefern. Cognitive Computing ermöglicht Chatbots, ein gewisses Maß an Intelligenz in der Kommunikation zu haben, wie z.B. das Verständnis der Bedürfnisse von Nutzern auf der Grundlage vergangener Kommunikation.

Stimmungsanalyse

Stimmungsanalyse ist die Wissenschaft des Verstehens von Emotionen, die in der Kommunikation vermittelt werden. Während es für den Menschen leicht ist, Ton, Absicht usw. in einem Gespräch zu verstehen, ist es für Maschinen viel komplizierter. Damit Maschinen die menschliche Kommunikation verstehen können, müssen Sie eine enorme Datenmenge menschlicher Gespräche auswerten. Die Stimmungsanalyse wird häufig zur Auswertung der sozialen Medienkommunikation wie etwa Tweets, Kommentaren, Rezensionen oder Beschwerden verwendet und wird sich in Zukunft als sehr nützlich im Marketing oder im Personalwesen erweisen.

Gesichtserkennung

Die Gesichtserkennung ist eine fortgeschrittene Stufe der Bildanalyse. Ein kognitives System verwendet Daten wie Struktur, Konturen, Augenfarbe des Gesichts, um es von anderen zu unterscheiden. Sobald ein Gesichtsbild erzeugt wurde, kann es verwendet werden, um das Gesicht anhand eines Bildes oder Videos zu identifizieren. Während hierzu früher 2D-Bilder verwendet wurden, nutzt Cognitive Computing heute 3D-Sensoren zur Gesichtserkennung. Diese weisen eine deutlich höhere Genauigkeit auf. Dies kann in Sicherheitssystemen wie einem Schließfach oder sogar einem Mobiltelefon verwendet werden.

Risikobewertung

Das Risikomanagement im Finanzdienstleistungsbereich bedeutet für den Analysten zunächst eine aufwendige Analyse von Marktentwicklung, historischen Daten und zahlreichen anderen Faktoren eines Investments. Nur auf Basis dieser Analyse kann er mögliche Risiken prognostizieren. Doch die Analyse basiert nicht nur auf Fakten und Zahlen, sondern auch auf Trends, Bauchgefühl, Verhaltensanalyse und vielem mehr. Es ist also sowohl eine Kunst als auch eine Wissenschaft. Die Big Data Analyse (d.h. die Analyse vergangener Trends allein) reicht nicht aus, um eine Risikobewertung durchzuführen. Aufgrund der Intuition und Erfahrung bei der Vorhersage der Marktzukunft ist es notwendig, Algorithmen intelligent zu machen. Cognitive Computing hilft, Verhaltensdaten und Markttrends zu kombinieren, um Erkenntnisse zu gewinnen. Diese können dann von erfahrenen Analysten zur weiteren Analyse und Vorhersage ausgewertet werden.

Betrugserkennung

Die Betrugserkennung ist eine weitere Anwendung des Cognitive Computing im Finanzbereich. Es handelt sich im Grunde genommen um die Identifizierung von Transaktionen, die nicht normal erscheinen. Dies erfordert auch Programme zur Analyse vergangener Daten, um die Parameter zu verstehen, die für die Beurteilung einer Transaktion verwendet werden. Eine Reihe von Datenanalyseverfahren wie beispielsweise logistische Regression, Entscheidungsbaum, Zufallswald oder Clustering können zur Erkennung von Anomalien eingesetzt werden.

Was ist der Unterschied zwischen Cognitive Computing und Künstlicher Intelligenz?

Gerne werden Cognitive Computing und Artificial Intelligence (AI) miteinander verwechselt oder für das Gleiche gehalten. Die Technologien ähneln sich, weisen jedoch entscheidende Unterschiede auf:

  1. AI versucht nicht den menschlichen Denkprozess zu imitieren, denn der menschliche Denkprozess ist komplex, ungenau und fehleranfällig. AI funktioniert stattdessen einfacher und präziser und wählt den bestmöglichen Algorithmus aus der Basis von Daten, die dem System zur Verfügung stehen, um eine Aufgabe zu erfüllen oder ein Problem zu lösen. Sowohl selbstfahrende Autos als auch Kaufempfehlungen von Onlineshops oder Streaming-Plattformen basieren auf AI.

  2. Cognitive Computing trifft keine Entscheidungen für den Menschen, sondern unterstützt die Entscheidungsfindung. Anders als bei AI-gesteuerten Fahrzeugen, die vom Computer selbst bewegt werden, überlassen Cognitive Computing-Systeme dem Menschen die Entscheidungen und unterstützen lediglich mit umfassenden Informationen, um die Lösungsfindung zu erleichtern.

  3. Während AI mit Daten gefüttert wird, lernen Cognitive Computing-Systeme selbstständig. Dabei sollen Lösungsansätze ständig reflektiert und hinterfragt und an neue Gegebenheiten angepasst werden, wie es auch das menschliche Gehirn leistet. Während AI in der Regel mit fixen Algorithmen basierend auf einem bestimmten Datensatz arbeitet, ist Cognitive Computing dazu in der Lage, neue Gegebenheiten tiefgründig zu verstehen und sich entsprechend anzupassen.

Aktuell werden beide Technologien in der IT-Welt noch häufig in einem Konkurrenzverhältnis zueinander betrachtet, doch idealerweise arbeiten die Systeme in Zukunft Hand in Hand. Aus dieser Synergie könnte zum Beispiel ein autonomes Auto entstehen, das nicht nur weiß, wo es steuern muss, sondern auch, warum und was es auf der Fahrt zu beachten hat. Oder eine Notaufnahme, die nicht nur anhand von Blutwerten und anderen messbaren Daten zügig den körperlichen Gesundheitszustand des Patienten ermitteln kann, sondern auch durch sensorische Erkennung den mentalen Zustand auswertet und dem Personal optimale Behandlungsvorschläge liefert. Beide Technologien bereichern Alltag und Beruf bereits zunehmend, doch gemeinsam eröffnen sie völlig neue Möglichkeiten.

Die Entwicklung im Bereich Cognitive Computing läuft rasant, doch jede schlaue Maschine braucht einen klugen Kopf, der sie anlernt. Die Programme mit den richtigen Daten zu füttern und neue Programme zu entwickeln, wird eine der größten Herausforderungen der IT-Branche für die Zukunft sein. Deswegen ist es für IT-Unternehmen unerlässlich, gut ausgebildete und erfahrene Mitarbeiter zur Bewältigung dieser Herausforderung zur Hand zu haben.