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Wann zählen Dienstreisen als Arbeitszeit? Ein Leitfaden für Geschäftsreisende

Geschrieben von Benjamin Leupold | 06.10.2018 22:00:00

Dienstreisen können ganz unterschiedlich gestaltet werden. Ein Beispiel: Im Flugzeug gehen Sie noch einmal akribisch Ihre Unterlagen für ein wichtiges Meeting durch und bereiten Ihre Strategie vor. Ihr Kollege dagegen nutzt die Reisezeit dazu, ein bisschen Schlaf nachzuholen, um für das Treffen fit zu sein und einem Jetlag entgegenzuwirken. Ein Bekannter von Ihnen hingegen fliegt nicht im Flugzeug, sondern fährt grundsätzlich selbst mit dem Auto. Wer von diesen drei Arbeitnehmern kann seine Dienstreise als Arbeitszeit anrechnen und sie entsprechend vergüten lassen?

Ob eine Dienstreise als Arbeitszeit gilt, hängt von mehreren Faktoren ab

Eine Dienstreise ist eine Reise, die ein Arbeitnehmer aus beruflichen Gründen im Auftrag des Arbeitgebers außerhalb seiner üblichen Arbeitsstätte vorübergehend tätigt. Um aber zu bewerten, ob eine Dienstreise als Arbeitszeit gilt, muss sie von drei verschiedenen rechtlichen Standpunkten aus betrachtet und bewertet werden.

Dienstreisen aus versicherungsrechtlichem Blickwinkel

Wie komplex die Einordnung von Dienstreisen als Arbeitszeit ist, zeigt schon die Beurteilung nach versicherungsrechtlichem Standpunkt: Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VII unterliegen Dienstreisende, wenn sie Reisen außerhalb der Arbeitsstätte zur Durchführung der beruflichen Tätigkeit zurücklegen, dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Damit gelten Dienstreisen als Arbeitszeit.

Anders sieht es jedoch aus, wenn die Dienstreise für einen privaten Anlass unterbrochen wird, etwa weil ein privater Verwandtenbesuch auf dem Reiseweg dazwischen geschoben wird. Für die Zeit der Unterbrechung greift der Versicherungsschutz nicht. Das betrifft mitunter sogar die Aufenthaltszeit im Hotelzimmer während einer Dienstreise, wie ein Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main 2017 beweist: Hier klagte eine Angestellte, die während einer Dienstreise im Hotelzimmer stürzte und sich verletzte. Das Gericht wertete den Aufenthalt im Hotelzimmer jedoch nicht als Arbeits- sondern als private Ruhezeit und verweigerte ihr den gesetzlichen Unfallschutz.

Dienstreise als Arbeitszeit aus arbeitszeitrechtlichem Blickwinkel

Ähnlich sieht die Bewertung aus arbeitsrechtlicher Sicht aus. Auch hier gilt die Dienstreise nur unter bestimmten Bedingungen als Arbeitszeit. Die Betrachtung stützt sich dabei auf das Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Demnach ist die Arbeitszeit als Zeit zwischen dem Beginn und dem Ende der Arbeit, ausschließlich der Ruhepausen, definiert.

Damit es auf Dienstreisen nicht zu Verstößen gegen das ArbZG kommt – etwa bei der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestruhezeit von 11 Stunden nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit (§ 5 ArbZG) – muss betrachtet werden, welche Tätigkeiten als Arbeitszeit im Sinne des ArbZG gelten. Hier kommt es nach wie vor zu juristischen Diskussionen darüber, wie die Reisezeit zum Zielort der Dienstreise einzuordnen ist: Arbeitszeit oder Ruhezeit?

Das ist vor allem deshalb schwierig, weil Reisen üblicherweise nicht (Juristen sprechen von "regelmäßig nicht") zu arbeitsvertraglichen Hauptleistungen eines Beschäftigten gehören. Ausnahme sind natürlich Arbeitnehmer, die ihre Arbeitspflicht nur erfüllen können, wenn sie permanent reisen, wie z. B. Außendienstmitarbeiter, Kraftfahrer oder Handelsvertreter. Die Reisetätigkeit gehört zu den hauptvertraglichen Pflichten, somit ist hier die Reisezeit immer Arbeitszeit.

Orientierung zur Beurteilung gibt das Bundesarbeitsgericht

Doch wie lassen sich Dienstreisen in dieses rechtliche Bewertungsschema einordnen? Um hier für Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Orientierung zu geben, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) Grundsätze ausgearbeitet, die klären sollen, wann Dienstreisen Arbeitszeit sind. Demnach hängt die Einordnung von drei hauptsächlichen Bewertungspunkten ab:

1. Liegt die Dienstreise innerhalb oder außerhalb der üblichen Arbeitszeit?

Wird die Dienstreise innerhalb der üblichen Arbeitszeit absolviert, gilt sie als Arbeitszeit, auch wenn der Arbeitnehmer nicht arbeitet. Ein Beispiel: Als Angestellter arbeiten Sie vertraglich vereinbart von Montag bis Freitag täglich acht Stunden. Wenn Sie nun am Mittwoch eine Dienstreise antreten und dafür zwei Stunden mit der Bahn zu einem Kundentermin fahren, vier Stunden am Zielort verbringen und anschließend zwei Stunden zurückfahren, absolvieren Sie Ihre Reisezeit innerhalb Ihrer üblichen Arbeitszeit. Die Dienstreise gilt somit als Arbeitszeit, auch wenn Sie während der Fahrt im Zug geschlafen haben.

Reisen Sie stattdessen am Sonntagabend zum Zielort, weil das Kundenmeeting bereits am Montagmorgen stattfindet, treten Sie Ihre Dienstreise außerhalb Ihrer üblichen Arbeitszeit an.

2. Wie sehen die Vorgaben des Arbeitgebers aus?

Dieser Umstand allein reicht jedoch noch nicht aus, die Dienstreise als Arbeitszeit zu werten. Hier spielen zusätzlich die Vorgaben des Arbeitgebers eine Rolle: Sollen Sie während Ihrer sonntäglichen Zugfahrt Kunden-E-Mails beantworten, ist Ihre Dienstreise als Arbeitszeit zu zählen.

Hat Ihnen Ihr Arbeitgeber keine Arbeitsaufgaben für die Reisezeit übertragen, wertet der Gesetzgeber sie als Ruhezeit. Das trifft auch dann zu, wenn Sie während der Fahrt freiwillig Kunden-E-Mails bearbeiten: Durch die fehlende Anweisung des Arbeitgebers haben Sie theoretisch die Möglichkeit, frei über die Gestaltung Ihrer Reisezeit zu verfügen und sich zu erholen, also eine Ruhezeit im Sinne des ArbZG wahrzunehmen. Ist Ihr Vorgesetzter kulant, kann er aber nachträglich die freiwillige Arbeit als Arbeitszeit billigen.

Aufenthaltszeiten am Reiseort selbst gelten übrigens ebenfalls als Ruhezeit, so lange keine konkreten Arbeitsaufgaben erledigt werden müssen. Das betrifft Hotelaufenthalte, private Restaurantbesuche oder andere Zwischenaufenthalte nichtdienstlicher Natur.

3. Mit welchem Fortbewegungsmittel wird die Dienstreise bewältigt?

Inwiefern Sie frei über die Gestaltung Ihrer Reisezeit verfügen können, sie also als Ruhezeit gilt, hängt nicht zuletzt davon ab, mit welchem Verkehrsmittel Sie die Dienstreise tätigen. Ordnet der Arbeitgeber an, dass Sie die Reise mit einem PKW antreten, den Sie selbst steuern sollen, ist die Reisezeit Arbeitszeit. Denn obwohl Sie nicht arbeiten, müssen Sie sich auf den Straßenverkehr konzentrieren. Anders sieht die Situation für Beifahrer aus: Wurden ihnen vom Arbeitgeber keine Arbeitsaufgaben übertragen, gilt ihre Mitfahrt im Auto als Ruhezeit.

Lässt Ihnen Ihr Arbeitgeber hingegen offen, mit welchem Verkehrsmittel Sie die Dienstreise antreten, ist die Sachlage noch einmal anders zu bewerten: Entscheiden Sie sich hier nämlich für die Anreise mit dem PKW (als Fahrer), gilt die Reisezeit als Ruhezeit. Übrigens auch dann, wenn er Ihnen die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel vorschreibt und Sie trotzdem den PKW nehmen.

Dienstreise als Arbeitszeit aus vergütungsrechtlicher Sicht

Auch hinsichtlich der Vergütung fehlen bislang pauschale Vorgaben durch den Gesetzgeber. Eindeutig vergütungspflichtig ist die Dienstreise immer dann, wenn sie in der betriebsüblichen Arbeitszeit liegt.

Bei Dienstreisen, die als Arbeitszeit gelten und die außerhalb der üblichen Arbeitszeit liegen, müssen individuelle Regelungen getroffen werden. So kann zum Beispiel im Arbeits- und Tarifvertrag oder in Betriebsvereinbarungen geregelt werden, wie Dienstreisen vergütet werden.

Trotz der Richtlinien des Gesetzgebers, ist eine Dienstreise letztlich auch immer von Einzelfall zu Einzelfall zu bewerten. Vermeiden lassen sich Streitigkeiten zur Frage, wann Dienstreisen Arbeitszeit sind und wie sie vergütet werden, am besten, wenn Sie dazu vorab verbindliche Vereinbarungen mit Ihrem Arbeitgeber treffen.

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