Frauen verdienen 21 Prozent weniger als Männer – diese Zahl geistert seit Jahren durch die Medienlandschaft. Der sogenannte Gender Pay Gap beschreibt den prozentualen Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von angestellten Männern und Frauen.
Wie kommt dieser hohe Wert zustande und stimmt diese Zahl überhaupt? Wir werfen einen Blick auf die geschichtliche Entwicklung des geschlechtsspezifischen Gehaltsgefälles, ergründen, warum Frauen auch heute noch weniger verdienen und wagen eine Prognose für die Zukunft.
Neben dem Gender Pay Gap, dem europäischen Vergleichswert, berechnete das Statistische Bundesamt im Jahr 2014 auch einen bereinigten Gender Pay Gap. Dieser rechnet den Teil des Verdienstes heraus, der sich auf strukturelle Unterschiede bei der Berufswahl, Beschäftigungsumfang, Bildungsstand, Berufserfahrung und den geringen Anteil von Frauen in Führungspositionen zurückführen lässt.
Oder anders gesagt: Der bereinigte Gender Pay Gap misst den Verdienstabstand von Männern und Frauen mit vergleichbaren Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsbiographien.
Berechnet man alle diese Faktoren mit ein, liegt der bereinigte Gender Pay Gap bei 6 Prozent.
In der DDR erhielten Frauen schon 1946 das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Mit der Erlassung des "Gesetzes über die Rechte der Frauen" wurde die flächendeckende Kinderbetreuung eingeführt, was auch den Frauen eine Arbeit in Vollzeit ermöglichte. In der BRD wurde erst im Jahr 1975 mit der Eherechtsreform, der Weg für Frauen auf den Arbeitsmarkt geebnet.
Erst damals wurde der heute selbstverständlich wirkende Satz aufgenommen: "Beide Ehegatten sind berechtigt, erwerbstätig zu sein." Vorher durften sie nur einen Beruf ausüben, wenn "dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist". Gerade in Zeiten des Wirtschaftswunders war es üblich, dass der Mann als Alleinverdiener agierte und die Frauen für Haushalt und Kinder zuständig waren.
Dieses alte Rollenbild spiegelt sich auch heute noch wider: Während Frauen in der ehemaligen BRD ein um 22 Prozent niedrigeren Brutto-Stundenlohn erhalten als ihre männlichen Kollegen, sind es in der ehemaligen DDR, in der Frauen stark ins Berufsleben eingebunden waren, nur 7 Prozent. Dabei profitieren die Frauen im Osten Deutschlands von der auch heute noch besseren Kinderbetreuung, die es ihnen ermöglicht, auch in Vollzeit zu arbeiten und nach der Geburt keine langen Berufspausen einzulegen.
Klassische Frauenberufe, also Berufe in denen der Frauenanteil über 80 Prozent liegt, sind häufig schlecht bezahlt. Dazu zählen hauptsächlich Berufe in der Pflege oder in der Erziehung. Hier wird generell weniger verdient als in typischen Männerberufen in Industrie und Handwerk. Hinzu kommt, dass viele Frauenberufe (wie z. B. im Büro- und Dienstleistungsbereich) auf einer schulischen Ausbildung beruhen, die kaum Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten bieten.
In den Vorständen der deutschen börsennotierten Unternehmen befinden sich im Durchschnitt 13 Männer und eine einzige Frau. Viele Frauen bleiben in ihrer Karriere trotz bester Qualifikationen an einem bestimmten Punkt stehen und erhalten keine führenden Positionen in ihrem Unternehmen. Dieses Phänomen einer unsichtbaren Barriere wird "gläserne Decke" (vom amerikanischen glass ceiling) genannt.
Und auch wenn Frauen es geschafft haben sollten, die gläserne Decke zu durchbrechen, gibt es noch Unterschiede bei der Bezahlung von Männern und Frauen. Die Boston Consulting Group untersuchte für Ihren "BCG Gender Diversity Index" die 100 größten deutschen Unternehmen, die individuelle Vergütungsdaten vorweisen konnten. Das Ergebnis zeigte, dass männliche Vorstandsmitglieder im Durchschnitt 30 Prozent mehr verdienen als Frauen in derselben oder einer vergleichbaren Position.
Frauen verdienen weniger und finden das auch noch gerecht – was absurd klingt, ist das Ergebnis einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. In einer Langzeitstudie wurden 10.000 Erwerbstätige gefragt, ob sie ihr Einkommen für gerecht halten. Wer sein Gehalt als ungerecht empfand, sollte angeben, welcher Betrag ihm zustehen würde. Dabei kam heraus, dass das Einkommen, das Frauen als gerecht empfinden unter dem Einkommen liegt, was Männer real erhalten. Dabei war es egal, ob die Befragte eine ungelernte Hilfskraft oder eine Akademikerin war.
Besagt diese Studie also, dass es für Frauen in Ordnung ist, weniger zu verdienen oder zeigt sie vielmehr die Missstände in der Gesellschaft auf? Anscheinend ist ein Großteil der Frauen bewusst oder unbewusst noch in alten Rollenbildern verhaftet und geht daher mit einer niedrigeren Erwartungshaltung zum Thema Gehalt auf den Arbeitsmarkt.
Bis zum 29. Lebensjahr sind Männer und Frauen bei Lohn und Gehalt häufig gleich auf. In diesem Alter bekommen Frauen in Deutschland durchschnittlich ihr erstes Kind. Nach der Geburt des Kindes erfolgt bei vielen Frauen ein längerer Austritt aus dem Berufsleben.
Wenn sie dann wieder berufstätig werden, kommt die Karriere nur schwer ins Rollen. 39 % aller Mütter in Deutschland arbeiten in Teilzeit. Und das nicht immer freiwillig – starre Öffnungszeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen oder sogar fehlende Betreuungsplätze sorgen dafür, dass viele Frauen nicht so viel arbeiten können, wie sie möchten.
Aber auch wenn sie wieder in Vollzeit arbeiten, erhalten sie einen geringeren Lohn als Frauen ohne Kinder. Denn die Zeit, die sie mit der Betreuung ihrer Kinder verbracht haben, wird als mangelnde Berufserfahrung berechnet. Das führt auch dazu, dass selbst Frauen, die vor ihrer Schwangerschaft in hohen Positionen tätig waren wieder weiter unten auf der Karriereleiter anfangen müssen.
Um auf die Missstände bei der Bezahlung aufmerksam zu machen, wurde ein internationaler Aktionstag ins Leben gerufen, der seit 2008 auch in Deutschland durchgeführt wird. Der Equal Pay Day markiert symbolisch den Entgeltunterschied zwischen Männern und Frauen. Wenn man annimmt, dass Männer und Frauen den gleichen Stundenlohn erhalten, markiert der Equal Pay Day den Tag, bis zu dem Frauen umsonst arbeiten, während Männer seit dem 1. Januar für Ihre Tätigkeit bezahlt werden. Im Jahr 2018 war der Equal Pay Day am 18. März.
Der Gender Pay Gap ist häufig Thema in der Politik und stets wird von einer nahenden Besserung der Umstände gesprochen. Die Zahlen zeigen jedoch, dass sich fast nichts ändert. Seit 2002 liegt der Gender Pay Gap in Deutschland fast konstant bei 22 Prozent.
Was die Zukunft bringt, lässt sich natürlich nicht sagen, aber vielleicht liegt in der Digitalisierung eine Chance. So wurde zum Beispiel in deutschen Unternehmen bislang eine Präsenzkultur gelebt, die besonders für Mütter von Nachteil ist.
Die Möglichkeiten der Digitalisierung erlauben es jedoch immer mehr, seine Arbeit auch von Zuhause aus zu erledigen. Wenn mehr Mütter im Home Office arbeiten und somit die Aufsicht für Ihre Kinder garantieren könnten, treten Frauen schneller wieder in das Berufsleben ein und sind seltener auf Teilzeitarbeit angewiesen.