Die 40-Stunden-Woche gehört ins Museum. Das denken nicht nur immer mehr Arbeitnehmer, sondern mittlerweile auch viele Unternehmer und Ökonomen. Zum einen ist es gerade für Fach- und Führungskräfte völlig selbstverständlich, auch nach Feierabend oder am Wochenende erreichbar zu sein oder E-Mails zu beantworten. Zum anderen ermöglichen es Smartphones, Laptops oder der heimische PC, Arbeit nicht nur im Büro zu erledigen, sondern von nahezu jedem beliebigen Ort aus.
Angesichts der neuen technischen Möglichkeiten leuchtet es kaum noch ein, dass sich die Erfüllung von Arbeitsverträgen noch immer strikt am 40 Wochenstunden-Modell orientiert. Die Einführung der 40-Stunden-Woche war für Fließbandarbeiter zweifellos eine Errungenschaft. Die digitalen Techniken lassen jedoch ahnen: Das geht besser und deutlich flexibler. Zeitgemäße Arbeitszeitmodelle sollten individuelle Gestaltungsmöglichkeiten bieten und zugleich ökonomisch sinnvoll vertretbar sein. Wie und ob das funktioniert, haben wir uns angesehen.
Wie man sich mithilfe der digitalen Technik neue Freiräume in der Arbeitskultur schafft, hat Anfang des neuen Jahrtausends bereits die Berliner Gruppe rund um Sascha Lobo ausprobiert. Die selbsternannte Digitale Bohème prahlte damit, "Dinge geregelt zu kriegen, ohne einen Funken Selbstdisziplin". Warum sollten sie den Großteil der Woche im Büro sitzen, wenn sie ihren Laptop auch einfach in ihrem Lieblingscafé aufklappen konnten?
Obwohl dieses "Geschäftsmodell" sicher nur für freie Berufsgruppen wie Designer, Journalisten oder Texter funktioniert, sind die von der Digitalen Bohème gestreuten Zweifel bis heute nicht verflogen. Zumal mittlerweile auch diverse Studien belegen konnten, dass eine 40-Stunden-Woche nicht produktiver ist als eine kürzere Arbeitszeit. Ein langer Arbeitstag sorgt vielmehr für eine höhere Fehleranfälligkeit, da die Konzentrationsfähigkeit nachlässt und Flüchtigkeitsfehler zunehmen.
Auch der gesundheitliche Aspekt bei einer Arbeitswoche mit durchschnittlich 40 oder mehr Stunden ist nicht zu vernachlässigen. Eine Langzeitstudie der Ohio State University untersuchte Daten von 12.000 Amerikanern, die 32 Jahre lang ihre Arbeitszeit und ihren Gesundheitszustand dokumentierten. Besonders bei Frauen kamen die Forscher zu besorgniserregenden Ergebnissen. Diejenigen, die mehr als 40 Stunden die Woche arbeiteten, erkrankten häufiger an Krebs, Diabetes oder Arthritis.
Weniger, aber dafür motivierter arbeiten – mit diesem Ziel startete das Projekt des 6-Stunden-Tages in Schweden. Angefangen hat das Toyota-Werk in Göteborg, das bereits 2004 die tägliche Anzahl an Arbeitsstunden für seine Mitarbeiter reduzierte – bei vollem Lohnausgleich! Der Test war ein Erfolg, die Arbeitnehmer waren genauso produktiv wie in acht Stunden und der Umsatz konnte sogar gesteigert werden.
Angetrieben von diesem Erfolgserlebnis wagten auch schwedische Einrichtungen im Gesundheits- und Sozialsektor die Verkürzung des Arbeitstages. Gerade in diesem Bereich sind die Angestellten überdurchschnittlich oft krank und wechseln häufig ihre Arbeitsstelle. Der 6-Stunden-Tag sollte nun zu einer Verbesserung dieser Umstände führen.
In einem Altenheim in Göteborg war das Projekt auf knapp zwei Jahre ausgelegt. Die Auswertung Ende 2016 zeigte, dass die Mitarbeiter tatsächlich motivierter und seltener krank waren. So weit, so erfolgreich, aber leider hat auch die Medaille eine Kehrseite: Die Stadt Göteborg plant keine Verlängerung des Projektes, da es sich als zu teuer herausstellte. Die reduzierte Tagesarbeitszeit führte dazu, dass mehr Menschen eingestellt werden mussten, was zwölf Millionen Kronen (umgerechnet 1,2 Millionen Euro) verschlang.
Was Schweden kann, kann der Ostwestfale schon lange – in der Bielefelder Digital-Kommunikationsagentur Rheingans Digital Enabler wurde im Oktober 2017 die 25-Stunden-Woche eingeführt. Die Mitarbeiter arbeiten dort von 8 – 13 Uhr und beziehen den gleichen Lohn wie vorher. Drei Monate nach Beginn des Experimentes fällt das erste Fazit positiv aus.
Der 5- bzw. 6-Stunden-Arbeitstag scheint tatsächlich produktiver und zufriedener zu machen. Das Arbeitszeitmodell eignet sich jedoch nur bedingt für alle Berufszweige. In Sektoren, in denen eine dauerhafte Präsenz von Mitarbeitern erforderlich ist, kann der verkürzte Arbeitstag nur durch höhere Kosten gewährleistet werden. Berufe in der IT oder im Engineering, in denen man nicht zwingend vor Ort oder durchgehend erreichbar sein muss, bieten die Möglichkeit, die Arbeitszeiten flexibel zu gestalten.
Für Fach- und Führungskräfte ist so ein verkürzter Arbeitstag in der Regel nicht umsetzbar, da sie als Ansprechpartner für Mitarbeiter und Kunden in Ihrem Betrieb fungieren. Für diese Gruppe eignen sich daher eher Modelle, die sich nach Lebensphasen ausrichten.
Bei diesen Arbeitszeitmodellen wird eine langfristige Vereinbarung zur flexiblen Arbeitszeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber getroffen, die unterschiedliche Lebensphasen des Arbeitnehmers berücksichtigt. In der Praxis sieht das Modell häufig so aus, dass nach einer intensiven Berufseinstiegsphase mit einem hohen Arbeitsvolumen weniger gearbeitet wird. Das ist ideal für alle, die Familie und Beruf unter einen Hut bringen möchten. Haben die Kinder ein gewisses Alter erreicht, wird das Arbeitspensum wieder erhöht. Später kann die lebensphasenorientierte Arbeitszeit auch dafür genutzt werden, in Altersteilzeit zu gehen.
Beispiele für Arbeitszeitmodelle bei einer lebensphasenorientierten Arbeitszeit:
Teilzeit
4-Tage-Woche
Sabbatical
Arbeitszeitkonten
Während dieses Modell für den Arbeitnehmer jede Menge Annehmlichkeiten mit sich bringt, ist es für den Arbeitgeber mit einem hohen Verwaltungsaufwand verbunden. So müssen zum Beispiel vorübergehend neue Mitarbeiter eingestellt werden. In Zeiten von häufigen Personalwechseln und Fachkräftemangel, könnte das lebensphasenorientierte Arbeiten ein Arbeitsmodell der Zukunft sein. Es ermöglicht Unternehmen, Mitarbeiter langfristig an ein Unternehmen zu binden. Gerade für Fach- und Führungskräfte sind flexible Arbeitszeitkonten oder ein Sabbatical oft perfekt, um Beruf und Leben in eine gute Balance zu bringen.